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Konferenz Hass in Krems 7.3.2017 - 8.3.2017
Konferenz Hass in Krems 7.3.2017 - 8.3.2017, © HORST HUBER
Konferenz Hass in Krems 7.3.2017 - 8.3.2017
Konferenz Hass in Krems 7.3.2017 - 8.3.2017, © HORST HUBER

Demokratie

Konferenz Hass Krems 2017

Konferenz Hass Krems 2017

„Das öffentliche Gespräch in der Demokratie“, Konferenz am 7. und 8.3.2017 Strategien gegen Fanatismus: Inklusion, Reflexion und gelebte Demokratie Die Polarisierung der Gesellschaft und die Möglichkeiten dagegen anzugehen standen im Zentrum dieser Konferenz, zu der das Zentrum Religion und Globalisierung unter Leitung von PD Dr. Ernst Fürlinger eingeladen hatte.

80 Expert:innen aus Wissenschaft und Politik - darunter auch Staatssekretärin Muna Duzdar - sowie Vertreter:innen religiöser und zivilgesellschaftlicher Organisationen diskutierten über die Ursachen von Fanatismus und Hass und mögliche Gegenstrategien. Wichtigstes Gegenmittel sei der Kampf gegen gesellschaftliche Ausgrenzung; aber auch gelebte Demokratie, beispielsweise in Schulen, sei ein Schutzschild gegen Extremismus, so Wissenschaftler wie Susanne Heine und Ernst-Dieter Lantermann. 

Die Polarisierung der Gesellschaft nehme zu, das gesellschaftliche Gefüge gerate zunehmend ins Wanken. „Das Zelt, das alle umspannt, bekommt Risse“, sagte die Religionspsychologin Univ.-Prof. em. Dr. Susanne Heine. In der Folge ziehen sich die Menschen zunehmend in „getrennte Zelte“ zurück, in denen dann die jeweils eigenen Trauma-Narrative erzählt würden: In einem Zelt erzähle man von den in Köln vergewaltigten Frauen, im anderen von den Demütigungen der Gefangenen in Guantanamo, führte Heine aus. 

„Mitte der Gesellschaft von Ängsten getrieben“

Auch der Sozialpsychologe Lantermann sah in seinem Vortrag die Mitte der Gesellschaft als „fragil und von Ängsten getrieben“; beispielsweise waren rund 75 % der befragten Deutschen überzeugt davon, dass sie im Laufe des nächsten Jahres persönlich von Terror betroffen sind. Diese Angst sei ein Nährboden für Fanatismus: Wer sich als ohnmächtig und damit gewissermaßen ausgegrenzt empfindet, wird anfälliger für die vermeintlichen Gewissheiten und Sicherheiten des Fanatismus. „Studien zeigen einen mehrfachen Zusammenhang von Fanatismus und dem Gefühl, gesellschaftlich ausgegrenzt zu sein“, erklärte Lantermann.

Es gehe daher vor allem darum, auf vielen Ebenen gegen Ausgrenzung und prekäre Verhältnisse zu arbeiten. „Die Zivilgesellschaft ist gefordert, die soziale Teilhabe der Menschen zu fördern, die sich ausgeschlossen fühlen“, betonte Lantermann. Auf individueller Ebene schütze ein starkes Selbstvertrauen und Sozialvertrauen – das Fundament dafür wird häufig in den ersten Lebensjahren gelegt – vor Fanatismus, aber auch ein ausgeprägter Wissensdurst sowie die sogenannte Ambiguitätstoleranz und Unsicherheitstoleranz: Die Fähigkeit, auch Widersprüche und Unsicherheiten auszuhalten. 

Gelebte Demokratie

Zentral sei dabei das Bildungssystem, wobei auch die Vorbildwirkung der Institution Schule nicht zu unterschätzen ist: So haben Studien ergeben, dass Schüler:innen, in deren Schulen Demokratie auch gelebt wird, deutlich widerstandsfähiger gegen Fanatismus und Extremismus sind, unabhängig von ihren sonstigen Hintergründen.

Mit moralischen Argumenten oder Empörung komme man jedenfalls gegen Fanatiker:innen nicht an, denn diese würden „anders ticken“, erklärte Lantermann: Sie hätten eine extreme Intoleranz gegen abweichende Meinungen, ein geschlossenes Glaubenssystem mit strikten Polaritäten und verschließen sich abweichenden Argumenten: „Da wird dicht gemacht, da ist die Lügenpresse schuld“. Möglichkeiten bieten der Humor, die Ironie, das Zweifelnde – und auch die Selbstreflexion, welchen Anteil man selbst an der Spirale von Ausgrenzung und Empörung habe. 

Einbindung der Basis

Die Konferenz wurde in einer breiten Kooperation mit interreligiösen Initiativen und Organisationen durchgeführt. In insgesamt sechs Workshops wurden unter anderem die Qualitätskriterien interreligiöser Bildung, Schritte gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit oder Best-Practice-Beispiele lokaler Verständigungsarbeit gemeinsam diskutiert. Als wichtige Elemente für einen gelingenden Dialog zeigte sich neben persönlicher Begegnung und Respekt vor allem die Einbindung der Basis wie auch der etablierten Strukturen. Grundvoraussetzung sei aber, so die Teilnehmer, ein sicherer Rahmen und das Vertrauen, schwierige Themen – etwa den Nahostkonflikt – ansprechen zu können, ohne die Gegenseite von der eigenen Meinung zu überzeugen. Im Rahmen eines Workshops, an dem Mag. Muna Duzdar, die Staatssekretärin für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung teilnahm, wurden auch Maßnahmen gegen Hass und Hetze im Internet diskutiert. 

Woher kommt der Hass?

Zur Psychodynamik von Hass, Hetze und Gewalt

Methoden, Theorien und Grenzen

Psychologische Analysen folgen nicht dem einfachen Kausalschema von einer Ursache und notwendigen Wirkungen, sondern von möglichen Ursache und möglichen Wirkungen. Dies gilt auch für den Hass, der verschiedene Ursachen und mögliche Wirkungen haben kann. Die Psychologie will verstehen, was zu Hass und Gewalt führen kann, aber Verstehen heißt nicht, damit einverstanden zu sein und Hass und Gewalt zu rechtfertigen.

Wut, Liebe und Hass

Der Mensch steht in einem psychischen Grundkonflikt zwischen dem Streben nach Selbstbe­stimmung und Unabhängigkeit und dem Streben nach sozialer Zugehörigkeit, das ihm Versa­gungen und Selbstbeschränkungen auferlegt. Soll es in menschlichen Beziehungen nicht zu Kampf und Gewalt kommen, müssen die beiden Strebungen austariert werden.

Der Wurzelboden des Hasses

Der Hass wurzelt in massiven Versagungen und dem Verlust von Zugehörigkeit, eine dop­pelte Leiderfahrung oft von traumatischem Ausmaß. Besondere Bedeutung haben Erfahrun­gen von Demütigung, weil sie einen Angriff auf Würdegefühl und Selbstachtung führen. Da dies alles schwer zu ertragen ist, kommt es zu einer Art „Schubumkehr": Demütigung ver­wandelt sich in Hass, Ohnmacht in Grandiosität, Hilflosigkeit in das Bedürfnis, über Leben und Tod zu verfügen.

Mögliche Reaktionen

Bildung von Großgruppen mit Zelt-Mentalität: Die im eigenen Zelt sind die Guten, die außer­halb des Zeltes die Bösen; Entstehung von Trauma-Narrativen: Ursprungserzählungen von Ohnmacht, Demütigung und Bedrohung. Dem Schritt zu gewalttätigen Handlungen geht die Definition der Situation als bedrohlich voraus. Daraus können Menschen die Konsequenz gewalttätigen Handelns ziehen. Die Versuchung der Religion liegt darin, die Spannung zwi­schen ihren Verheißungen und der Wirklichkeit aufzuheben und die Welt von allem Bösen reinigen zu wollen.

Das Beispiel Islam

Die Unterdrückungsgeschichte des Kolonialismus in islamisch geprägten Ländern mit Folgen bis heute gab den Anstoß zur Suche nach einer eigenen Identität und einem einigenden gesell­schaftlichen Band. Da Religionen ein ganzheitliches System darstellen, das alle Dimensionen des Menschseins umfasst, sind sie besonders geeignet, Identität und starke soziale Bindungen zu schaffen. Viele muslimische Gruppen fanden Identität und Zusammenhalt in der Religion des Islams, die es zu verteidigen galt und gilt.

Wie sich die Bilder gleichen

Auch Trauma-Narrative können einer „Schubumkehr" unterliegen, so dass sich das erlittene Trauma in den Traum von Ruhm, Ehre und Heldentum verwandelt. Dadurch wird die Spirale von Hass und Gewalt noch einmal angetrieben. Dies kann zu Utopien führen, die eine ver­gangene illusionäre „Heilszeit" heraufbeschwören: Was einmal war, soll durch heldenhaften Einsatz wieder geschaffen werden. Damit geht der Bezug zur Wirklichkeit verloren. Dies gilt für muslimische, aber auch nicht-muslimische Großgruppen.

Kann es Lösungen geben?

In die Psychodynamik des Hasses verstrickte Menschen sind für anders lautende Argumente nicht zugänglich. Aufforderungen, eine andere als die übliche Sichtweise einzunehmen, kön­nen nur dann wirksam werden, wenn Menschen dafür offen sind. Vielleicht sollten wir uns in einer besorgniserregenden Zeit unsere Hilflosigkeit schonungslos eingestehen, um nicht in die Spirale des Hasses hineinzugeraten. Dies wäre der erste Schritt zu einer Unterbrechung. 

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